ESSAY AUS STEREO 5/1997
CDHIFI EXKLUSIV ESSAY
Mit den
Ohren
„sehen"
Oie Lund Christensen, Inhaber des dänischen Profiausstatters
Ampspeaker, eröffnet einen
unkonventionellen „Blick” auf das Thema Klangwiedergabe
H
igh Fidelity - ein geflügeltes
W ort, das jeder kennt und im
M unde fü h rt. High Fidelity
stellte ursprünglich den Anspruch,
das Klangerlebnis, das w ir aus der
Konzerthalle kennen, Zuhause ge-
treulich zu reproduzieren. Aber w el-
ches Erlebnis haben w ir live ei-
gentlich? Ist dieser Anspruch noch
zeitgem äß, w ar er es jem als? Be-
rechtigte Fragen, schließlich sind
w ir im Konzert m it all unseren Sin-
nen dabei. HiFi ist aber ein Medium,
das nur einen A usschnitt w ie d e r-
gibt, das sich, egal ob per Tuner,
Schallplatte oder CD, ausschließ-
lich ans Ohr w endet.
Im W ohnzim m er .s e h e n " wir d ie
M usike r m it u n se re n O hren
W enn w ir live im Saal einem klas-
sischen Konzert lauschen, sehen
w ir die Instrum ente mehr, als daß
w ir sie hören. Deshalb m acht es
uns nichts aus, einen Sitzplatz am
rechten oder linken Rand des Audi-
torium s einzunehm en, obw ohl w ir
Zuhause vor der Anlage nicht allein
aus Gewohnheit W ert darauf legen,
exakt zwischen den Lautsprechern
zu sitzen.
In der Konzerthalle lokalisieren wir
die Instrum ente m it H ilfe unserer
Augen, was uns selbst aus größe-
rer Distanz m ühelos gelingt. Probie-
ren Sie es selbst! M it geöffneten
Augen haben Sie akustisch ein ge-
stochen scharfes Panorama vor
sich. Sobald Sie die Augen schlies-
sen, verschw im m t es. Sie sind nun
nicht m ehr in der Lage, etw a eine
Violine neben der anderen auszu-
machen. W ir hören zwar, wenn ein
V iolinist eine falsche Note spielt,
aber w ir können nicht bestim m en,
ob es nun N um m er vier oder fünf
von links war.
Unsere Ohren liefern uns nämlich
im Vergleich zu den Augen nur eine
geringe Anzahl von Inform ationen.
Der Augen-A nteil an der G esam t-
inform ation, die das Gehirn em p-
fängt, beträgt im m erhin ungefähr
70 Prozent, und er w ird zudem in al-
ler Regel auch bevorzugt verarbei-
te t und stärker gew ichtet.
In der Praxis sitzen w ir in größerer
Entfernung zum O rchester, so daß
unser W inkel vom ganz rechten
Baß bis zur ganz linken Violine w e-
niger als 90 Grad beträgt. O ft ist er
sogar enger als 60 Grad. Unser#
Augen sind es dann, die Ordnung
und S taffelung in den schm alen
A usschnitt bringen. N icht zuletzt
deshalb, w eil auch entferntere Dm
ge, auf die w ir uns optisch konzen-
trieren, subjektiv näher an uns her-
anrücken, größer erscheinen.
Die Ohren allein könnten dies nicht
leisten. Noch dazu, w e il w ir men
stens so w e it vom O rchester weg«
sitzen, daß w ir hauptsächlich den
diffusen Hall der Instrum ente wahr
nehm en, der aus allen Teilen d#f
Halle zu uns dringt. Es sind aber dt#
direkten, unreflektierten Schallam
teile, aus denen unser Gehirn em#*w
präzisen Fokus e rm ittelt. Deshalb
haben unsere Ohren
Problem#,
den genauen Standort der falsoM
spielenden Violine zu erkennen.
W enn w ir Zuhause M usik hör#nJ
haben w ir nur unsere Ohren. S)|
m üssen
deshalb alle
R äum ltoM
keitsinform ationen
ü b e rm itt# lH
STEREO',/-#
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30 JAHRE STEREO
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